Was ist Tantra?
Hier geht es zu: Was ist Tantramassage?
Traditionelles Tantra
Traditionelles Tantra ist ein spiritueller Erfahrungsweg, der zwischen dem 6. und 12. Jh. in Indien seine Blütezeit hatte, dessen Wurzeln aber mehrere tausend Jahre bis an die Wiege der indischen Kultur zurückreichen. Tantra ist keine Religion, sondern eher eine Lebenshaltung, eine spirituelle Strömung, die sowohl den Hinduismus, als auch den Buddhismus nachhaltig geprägt hat. Das Wort ‚Tantra’ entstammt der alten indischen Sprache Sanskrit und bedeutet ‚ausdehnen’, ‚verweben’, ‚erweitern’, ‚verbinden’.
Tantra geht wie alle östlichen Weisheitslehren von einer höheren bzw. sog. absoluten Wirklichkeit aus, die der Ursprung von Allem ist, die in allen Dingen und Lebewesen gegenwärtig ist, und die, obwohl mit den gewöhnlichen Sinnen nicht wahrnehmbar, doch erfahren werden kann. Auf der Ebene dieser absoluten Wirklichkeit, dieses ‚Göttlichen’, ist Alles mit Allem verbunden, ist alles Eins.
Im Unterschied zu vielen anderen spirituellen Wegen und den großen Religionen legt Tantra den Fokus weniger auf Traditionen und Lehren, sondern auf das persönliche Erleben und Erkennen des Einzelnen, i.d.R. unterstützt von einem Lehrer.
Auch kommt es im Tantra nicht zu einer Trennung zwischen ‚Göttlichem’ und ‚Weltlichem’. Tantra sieht und verehrt in allen Erscheinungsformen des Lebens, in allen Dingen und Lebewesen den Ausdruck des ‚Göttlichen’. So betrachtet Tantra den menschlichen Körper als ‚Tempel der Seele’, den es zu ehren und zu achten gilt. Körper, Seele und Geist werden als Einheit angesehen.
Die tantrische Lebenseinstellung ist das bewusste Erfahren und Erleben aller Dinge und allen Geschehens, im täglichen Leben, in der Natur, im Kontakt mit anderen Menschen, aber auch mit uns selbst, unserem Körper, unseren Gefühlen und Gedanken.
Wichtige Elemente des traditionellen Tantra
Tantra geht wie Yoga, die Traditionelle Chinesische Medizin und verwandte fernöstliche Lehren von einem System feinstofflicher Energiekanäle (Nadis) und -zentren (Chakren) aus, die den Körper durchziehen und mit Lebensenergie (Prana) versorgen. Der freie Fluss dieser Energie und der Zustand der Chakren und Nadis ist aus tantrischer Sicht sowohl für das körperliche Wohlbefinden, als auch für die Entwicklung des Bewusstseins von großer Bedeutung. Traditionelles Tantra setzt hier zur Unterstützung und Energetisierung verschiedene Techniken ein, wie Yoga-Stellungen, Atemübungen, Visualisierungen und Mantren.
Eine Besonderheit des Tantra ist die Polarität und gleichzeitige Verbundenheit zwischen Shiva und Shakti, dem aktiven männlichen (Shiva) und dem passiven weiblichen Prinzip (Shakti), etwa vergleichbar mit dem taoistischen Prinzip von Yin und Yang. Beide Anteile sind dabei sowohl in Männern, als auch in Frauen vorhanden. Im Tantra steht Shiva auch als Sinnbild für das reine Bewusstsein, Shakti als Ausdruck der schöpferischen Kraft. Die Verbindung von männlichen und weiblichen Aspekten und Energien ist ein wichtiges Ziel im Tantra. In der bildlichen Darstellung wird dies häufig durch die sexuelle Vereinigung männlicher und weiblicher Gottheiten dargestellt.
Im traditionellen Tantra spielt Sexualität eine große, aber entgegen mancher Vorurteile keine dominierende Rolle. Es geht im Tantra darum, das Leben in seiner Gesamtheit zu akzeptieren, frei, bewusst und radikal zu leben und sich deshalb auch mit Tabuthemen wie Sexualität und Tod auseinander zu setzen.
Da die Sexualität der kraftvollste Ausdruck unserer Lebensenergie ist, wendet Tantra Techniken an, in denen mit dieser sexuellen Energie gearbeitet wird. Einige Schulen setzen dabei konkrete sexuelle Praktiken mit und ohne Partner ein (sog. ‚linkshändiges’ oder ‚rotes’ Tantra), andere hingegen nicht (sog. ‚rechtshändiges’ oder ‚weißes’ Tantra).
Modernes Tantra
Modernes Tantra (oft auch Neo-Tantra genannt), wie es heute v.a. in westlichen Ländern angeboten wird, basiert zwar auf dem traditionellen Tantra und seinen Prinzipien, aber in einer zeitgemäßen Form, die auf die Bedürfnisse und den Entwicklungsstand der heutigen, (post-)modernen Menschen zugeschnitten ist. Das spirituelle Wissen des Tantra, seine Philosophie und Methoden werden dabei verbunden mit modernen Erkenntnissen, Elementen und Methoden, v.a. der transpersonalen und humanistischen Psychologie.
Ziele dieses sehr erlebnisorientierten modernen Tantra sind vor allem die Erweiterung des eigenen Potentials, die Steigerung von Lebensenergie und Lebensfreude, die Schulung der Wahrnehmungsfähigkeit, die Aktivierung der Körperenergie und ein undogmatischer Zugang zur Spiritualität. Ein wesentliches Element ist die direkte Begegnung von Mann und Frau und die Schaffung eines achtsamen und bewussten Erlebnisraumes von Sinnlichkeit und sexueller Energie, i.d.R. im schützenden Rahmen eines Seminars.
Modernes Tantra hat die Entstehung und Entwicklung der Tantramassage ganz wesentlich mitbeeinflusst. Die Tantramassage ist eine ritualisierte tantrische Begegnung zweier Menschen mit einer klaren Rollenverteilung (aktiv-passiv) und klaren Grenzen, in deren Mittelpunkt eine Öl-Massage des gesamten Körpers (i.d.R. auch des Intimbereiches) steht und die keine weitergehenden sexuellen Praktiken beinhaltet. Tantra und Tantramassage werden oft miteinander verwechselt.